Christian Thiess Photography

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Der stürmische Zirbitz

Abfahrt 05:30 Uhr. Gähnende Leere auf den Straßen von Graz.

Wir sind heute zu Dritt. Anders als sonst habe ich für meine Tour heute eine Begleitung. Und wie sich später herausstellen wird, sind meine zuagrasten Wadln quasi das Frühstück für echte Steirer-Wadln. Nicht umsonst gibts überall ein “Wiener-Frühstück”. Die Frage ist: Wer ist jetzt das Kipferl? Ich bin der Kaffee.

Hinweis des Autors: ich bin ein in die Steiermark zugereister Wiener mit Hang zu gutem Kaffee - am liebsten Espresso oder Mokka (oder kleiner Schwarzer / falls man das heute noch sagen darf).

Waldheimhütte - Zirbitzkogel: Blick Richtung Ausgangspunkt

Meine extrinsischen Motivatoren heißen Michi, der heute mit Tourenski, und Julian, der heute wie ich mit Schneeschuhen unterwegs ist. Obwohl jeder von uns die Energieriegel von Clifbar mitgenommen hat, unterscheiden sich unsere Rucksäcke dann doch in Maßen und Gewicht. Ich komme mir vor, wie ein Sport-Trainer, der für die ganze Mannschaft alles eingepackt hat. Ich könnte zu meiner Jause bestimmt die anderen zwei Rucksäcke noch bei mir verstauen. Dieses Thema wird heute während der gesamten Tour noch für Gesprächsstoff sorgen. Meine verteidigenden Worte, ich habe sogar einiges an Foto-Equipment zu Hause gelassen, wird stets mit einem Lächeln quittiert.

Michi on Tour

Julian on Tour

Chill-Mode Michi

Wir erleben den Sonnenaufgang bereits nach knapp 100hm Aufstieg. An dieser Stelle steht genießen vor fotografieren.

Großer Speikkogel in der Fernsicht

Bergwärts

Wir streben weiter aufwärts. Also, Michi und Julian streben, ich konzentriere mich aufs Wesentliche: Schritt, Ein-Atmen, Schritt, Schritt, Aus-Atmen. Dankenswerter Weise nehmen sie abwechselnd Rücksicht auf mich: Einer bleibt immer bei mir. Da es für die Zwei heute wohl ein Spaziergang ist, versuchen sie, mich für ein Gespräch zu gewinnen. Zu meinem Bedauern bleibts einseitig. Sobald ich in meine Schritt-Atmen-Kombination noch Denken oder Sprechen dazwischen zu packen versuche, würfelts mich in einen Brain-Overflow hinein. Es folgt ein MHM, Atm…, Schritt Schr… Atm… hüstl, röchl. …. Schweigen. Beide Seiten.

Wieder was gelernt: Beim Gehen schweigen, beim Stehen reden. Zumindest gilts für mich.

Windböen über die Abrisskante

Nach ca. 2/3 des Aufstiegs gibts eine Rucksack-Rochade. Mein 15kg Teil geht an Julian und sein Rucksackerl geht an mich. Ich muss mich des öfteren vergewissern, ob da wirklich ein Rucksack auf meinem Rücken thront. Spüren tu ich da nix. Obwohl Jause und Drohne drinnen weilen. Komisch.

Immer wieder bekommen wir zu spüren, wie der Wind an Stärke zunimmt je weiter wir uns dem Gipfel nähern. Dank guter Ausrüstung frieren mir nur die Fingerspitzen ein und das natürliche Gebläse sorgt für einen rötlichen Teint im Gesicht. Wunderbar.

Wennst di gspierst, dann weißt, dassd lebst.

Ehrlich gesagt, ich würde ja viel öfter zum Fotografieren stehen bleiben. Nicht primär, um meine Atemlosigkeit auszugleichen, sondern vor allem um mich den Details der Natur zu widmen.

Blick vom Zirbitzkogel Schutzhaus Richtung Karawanken

Zirbitzkogel Schutzhaus: für eine Stärkung geöffnet

Gipfelsieg am Zirbitzkogel

Unser Ziel ist erreicht. Wir klopfen an das Gipfelkreuz, verzichten auf Berg-Heil, machen ein GoPro-Selfie mit einem Blick, als wären wir mit dem Lift angereist und verziehen uns in die Schutzhütte.

Den gesamten Weg herauf wollten wir beim Gipfelkreuz unseren Gaskocher mit einer Bialetti gefüllt mit frisch gemahlenem Kaffee bestücken und gebührend feiern. Da der Wind hier heroben sogar die liegenden Stöcke bergauf vertreibt, beschließen wir die Kaffeepause auf später zu vertagen.

Anmerkung des Autors: wenn ich nicht gekrümmt stehen würde, würde mich der Wind hint-umi verblasen. Kein Wunder - hab ich doch meinen Rucksack zum Beschweren nicht umgehängt.

Zirbitzkogel Gipfelkreuz und Schutzhaus

Nachdem wir uns gewärmt und gestärkt haben, brechen wir wieder auf. Talwärts.

Von Michi, der mit den Tourenski unterwegs ist, sehen wir bald nichts mehr. Er genießt die eisige Abfahrt und erwartet uns im Tal. Julian und ich stapfen mit unseren Schneeschuhen den Berg wieder runter. Es entgeht unseren Augen nicht, welche interessanten Strukturen der Wind in die Schneedecke formt. Die alle fotografisch festzuhalten, würde eine eigene Tour rechtfertigen. Dennoch nehmen wir uns die Zeit, zumindest ein paar Eindrücke mitzunehmen.

Zurück im Tal treffen Julian und ich wieder auf Michi. Während Julian die Zeit für einen Drohnenflug nutzt, bereiten Michi und ich Espresso mit original italienischen Kaffeebohnen in einer Bialetti (non-original) auf einem Gaskocher zu. Feine Sache.

Alles in allem war es eine schöne, winterliche Wanderung mit knapp 13,5km Länge, ca 17.300 Schritten und ca 780hm (Anstieg). Warum mir meine Sportuhr sagt, ich solle mich jetzt 51h erholen, weiß ich echt nicht. Wobei … erholen tut auch gut.